Intervention "ORT" Fotografien von Ouriel Morgenztern 22.10.2025 - 12.4.2026

Mit ORT präsentiert die Heidi Horten Collection ihre zweite Interventionsausstellung – eine Einladung zur ästhetischen Entdeckung und zugleich eine fotografische Transformation ihrer eigenen Räume.

Im Zentrum steht das Werk von Ouriel Morgensztern, dessen Schwarz-Weiß-Fotografien einen ebenso präzisen wie poetischen Blick auf das Museum und weit darüber hinauseröffnen.

Ausstellungsansicht ORT, Heidi Horten Collection, 2025, Foto: Ouriel Morgensztern, © Heidi Horten Collection

 Geboren 1976 in Paris und aufgewachsen im südfranzösischen Gaillac, ist Morgensztern ein Reisender zwischen den Welten – geografisch, kulturell und künstlerisch. Seine Biografie führt ihn von New York über Tel Aviv bis nach Wien, wo er seit über zwanzig Jahren lebt. In dieser Vielfalt wurzelt sein künstlerischer Blick: Weltoffen, doch stets feinfühlig für das Verborgene. Seine Kamera ist kein bloßes Instrument zur Dokumentation, sondern ein Mittel der Empfindung – ein Werkzeug des Erinnerns, wie Aaron Siskind es beschrieb.

 

Das fotografische Werk Morgenszterns gliedert sich in zwei klar unterscheidbare Sphären: einerseits menschenzentrierte Aufnahmen – etwa aus der jüdischen Gemeinde in Wien –, andererseits abstrahierte Architekturbilder, in denen jede Spur menschlicher Präsenz ausgelöscht scheint. Letztere stehen im Fokus der Ausstellung ORT. In diesen Bildern wird die Architektur der Heidi Horten Collection nicht einfach abgebildet – sie wird transformiert: Linien, Schatten, Oberflächen und Licht werden zu grafischen Elementen einer eigenen Bildsprache. Bekannte Raumdetails – Fenster, Treppen, Lichtschächte – verlieren ihre Funktionalität und gewinnen autonome ästhetische Qualität.

 

Ausstellungsansicht ORT, Heidi Horten Collection, 2025, Foto: Ouriel Morgensztern, © Heidi Horten Collection

Morgenszterns Blick ist subjektiv, sein Stil geprägt von der Tradition der „subjektiven fotografie“ der Nachkriegszeit, beeinflusst von Jean Dieuzaide, Moholy-Nagy oder Brassaï. Doch bleibt seine Handschrift eigenständig: Er verfremdet durch extreme Bildausschnitte, dramatische Hell-Dunkel-Kontraste und das bewusste Spiel mit Orientierungslosigkeit. Selbst der Titel der Ausstellung – ORT – wird im Bild aus baulichen Details neu zusammengesetzt. Das Museum wird nicht mehr als begehbarer Raum verstanden, sondern als abstrakte Möglichkeit – als Stätte kontemplativer Erfahrung.

Dabei fehlt der Mensch – aber er ist doch nicht abwesend. Wie in Morgenszterns Serien zum jüdischen Friedhof und jüdischen Orten im Stadtbild Badens zeigt sich auch in ORT eine Präsenz durch Abwesenheit. Die Leere der Räume ist nicht kalt oder abweisend, sondern öffnet sich für ein stilles Erinnern. Besucher:innen, so scheint es, waren gerade noch da oder sind gleich wieder da – eine Atmosphäre zwischen Gegenwart und Vergänglichkeit, zwischen Architektur und Imagination.

Ausstellungsansicht ORT, Heidi Horten Collection, 2025, Foto: Ouriel Morgensztern, © Heidi Horten Collection

 Kuratiert wurde die Ausstellung von Rolf H. Johannsen, der Morgenszterns Werk mit großer Sorgfalt und einem tiefen Verständnis für dessen poetische und formale Qualitäten in Szene setzt, in Zusammenarbeit mit Agnes Husslein-Arco. Gezeigt werden im Erdgeschoß der Heidi Horten Collection insgesamt 20 Arbeiten des Künstlers.

 

Die Wahl von Ouriel Morgensztern für die Interventionsausstellung ist ein bewusstes kuratorisches Statement. Die Schau eröffnet neue Perspektiven auf die Architektur von the next ENTERprise und macht den Baukörper selbst zum Kunstobjekt. Statt musealer Inszenierung zeigt sich ein entrückter Raum – durch Morgenszterns Linse gleichzeitig konkret und fremd, greifbar und abstrahiert.

 

Die Besonderheit dieser Ausstellung liegt in ihrem doppelten Blick: Sie richtet sich nach innen – auf das Museum selbst – und gleichzeitig darüber hinaus, auf Grundfragen der Wahrnehmung, der Erinnerung und der Abstraktion. ORT ist eine fotografische Intervention, die das Sichtbare überschreitet und das Unsichtbare erfahrbar macht. Es ist ein würdiger Abschluss der Direktion von Agnes Husslein-Arco – und ein eindrucksvolles Plädoyer für die Kraft der leisen, eindringlichen Bildsprache.