Die FOTOCULT Kameratests sind abseits der üblichen Labor und Techniktests. Hier finden Sie keine Analyse von Datenblättern, sondern Stories wie sich die Kameras im praktischen fotografischen Alltag bewährt haben. Eventuell auch durchmischt mit sehr persönlichen Erlebnissen. Die Liebhaber von Zahlen, Fakten und Datenblätter mögen mir verzeihen. Es geht hier um rein subjektive Praxistests.

Autor: Eric Berger

 


Eric's LEICA M Praxistest: "One Month with..."


Ein leichtes Schmunzeln treibt es mir ins Gesicht wenn ich an meinen Leica Erstkontakt denke. Anno Domini 1982 in der Bildstelle der Heeresfotografen des Militärkomandos NÖ in St. Pölten, wurde mir redlichen Grundwehrdiener eine komplette analoge Leica Messsucher Ausrüstung mit einer denkbar großen Palette an Objektiven ausgehändigt. Wie war ich eigentlich als Oberösterreicher in die Niederösterreichische Landeshauptstadt gekommen? Der Grund hieß damals „geburtenstarke Jahrgänge“, in der Kaserne 2km von zu Hause war schlicht weg kein Platz. Wie war ich damals kurz nach der Matura ohne Ausbildung zu den Fotografen gekommen? Der Grund hieß „Sehschwäche“! Wenn Sie sich gerade wundern, ..hier kurz die Erklärung. Wer es nicht mehr erwarten kann und Zeit sparen möchte, hier den Abschlusssatz des Leica Praxistests vorgezogen. Die Leica M ist mit Abstand die sensationellste Kamera mit der ich in den letzten 30 Jahren fotografiert habe. Eine extreme Schärfe, die Hand in Hand geht mit einer wunderbaren Bokeh Anmutung der optisch unscharfen Bereiche (Tiefenunschärfe).

Bologna - Leica M - Summilux 35 1:1,4

Ich wollte nicht Fotograf sondern Pilot werden, was aber von einem inkompetenten Unteroffizier, der die Postenvergabe der Grundwehrdiener vornahm mit den Worten, „der hat eine Brille“ abgeschmettert wurde. Schnell schraubte ich meine Erwartungen runter und meldete mich zu den Kraftfahrern. „Der ist Blind, hat eine Brille“ ließ auch diesen jungendlichen Traum platzen. Nicht anders erging es mir als die Schreib und Buroposten vergeben wurden. Bei den Pionierzügen, muss ich gestehen, habe ich wohl nicht aufgezeigt, oder wurde ob meiner Größe einfach übersehen. Es waren also nahezu alle Posten vergeben als es galt zwei Fotografen zu finden. Da ich bereits eine eigene Dunkelkammer besaß und hobbymäßig knipste, meldete ich mich tapfer und erwartete das Kursichtig- geht nicht Argument. Allen schlechten Gefühlen zum Trotz wurde ich sofort aufgenommen. Dieser Umstand versetzte mich in Staunen und wirkt sich auch heute noch in Vollmondnächten aus, indem ich darüber nachgrüble ob offensichtlich eine gewisse Fehlsichtigkeit dem Fotografieren nicht abträglich ist… Aber zurück zur Leica Analogausrüstung des Jahres 1982.

Leica M Adobe Raw Konverter

Völlig frustriert über dieses „extrem veralterte Equipment“ protestierte ich in militärischem Ungehorsam meinem direkten Vorgesetzten gegenüber und konnte durchsetzten dass ich meine private Minolta XD 1 mit Superzoom verwenden durfte. Wenn ich heute an die Schätze die da unbeachtet im Spind lagen denke treibt es mir die Tränen in die Augen. Aber offensichtlich ist durchaus ein gewisser menschlicher Reifungsprozess nötig um die guten Dinge zu entdecken.
Mein Einstieg in die digitale Welt der Leica Kameras war auch irgendwie holprig. Meine Partnerin besitzt seit einigen Jahren eine digitale Leica Monochrom. Deren Tonwerte mich als Black&White Fetischisten, auch ohne Postproduction schlichtweg flashen. Ich konnte mich aber nie wirklich mit dieser Kamera anfreunden. Kein Autofocus, beim 35 mm Weitwinkel hast Du  den Großteil des Bildes mit Objektiv verdeckt (vom 18mm ganz zu schweigen) und ich muss gestehen, mit dem Schnittbildentfernungsmesser habe ich nicht wirklich geschafft, scharfe Bilder offenblendig zu schießen. Wohlweislich, dies gilt für mich und nicht für die Herrin dieser Kamera. Offensichtlich habe ich doch zu wenig weibliche Hormone oder es fehlt mir die Exaktheit oder liegt es möglicherweise an meinem Sehfehler (eine späte Erkenntnis). Also Resümee, Messuch Leica und ich waren keine wirklichen Freunde, es war mehr eine stille Verehrung der unglaublichen Schwarzweiß Fotos aus dieser Monochrom. 

Foto: Nadja Gusenbauer: Leica Monochrom

Mit der Anschaffung eines 50 mm Noctilux (1:0,95) für diese Kamera keimte plötzlich der Gedanke in mir, ob ich nicht doch gern auch mal eine digitale Leica M (aber für Farbfotos) haben möchte. Irgendwie schnappte ich im Juni dieses Jahres dann auch noch auf dass Leica eine 100 Jahre Sonderedition rausbringt, die streng limitiert ist und nahezu nicht erhältlich ist. Dies weckte in mir den Jagdtrieb und die ohnedies bei mir spärlich vorhandene Vernunft wurde auch ausser Gefecht gesetzt. Ich musste eine Leica M (Edition 100) haben. Der Händler meines Vertrauens organisierte dies natürlich durch entsprechenden Geldeinsatz. Ich redete mir ein, dass andere Leute halt teure Autos fahren oder kostspielige Hobbys wie Golfen haben und ich ja immerhin Fotograf bin und gerade an Streetfotografie große Freude habe. Also kurzum, abseits jeder Vernunft, das Ding wurde angeschafft. Ich glaube mein Händler hatte an der „besonderen Seriennummer“ mehr Freude als ich. Mein Vorteil, da ich keine Objektive besitze und ja nun das Noctilux das erklärte Lieblingsobjektiv meiner Partnerin (stellen Sie sich das Scharfstellen bei Blende 0,95 vor…) ist, darf ich das lichtstarke 35mm Summilux 1:1,4 Objektiv leihweise verwenden. Ich dürfte auch mal die anderen Objektive nutzen, aber in den letzten 6 Wochen kam ich durchaus mit einem Objektiv aus. Ganz im Gegenteil, es ist faszinierend, welche Zugänge zur Fotografie sich damit auftun.

Technischer Einsatz der Kamera: Der Schnittbildentfernungsmesser und ich sind noch immer keine Freunde, also wurde am ersten Einsatztag kurzerhand mit hyperfocaler Distanz bei Blende 8 fotografiert. Hier entstand der Schnappschuss mit der Regenpfütze in Bologna. Ich glaube es war meine 5 Auslösung mit dieser Kamera. Kurzum eine tiefe Freundschaft zwischen mir und dieser Anfangs gewöhnungsbedürftigen Kamera war im aufblühen. Langsam probierte ich mich in die Funktionen der Technik hinein. Ja ich schreibe Kameratests und lese nicht mal die Gebrauchsanweisung! Aber meine tests sind rein subjektiv vom Praktiker ohne jedweden technischen Zugang über Datenblätter etc. zu sehen. 

Sibelinische Berge - Leica M - 35 mm Summilux

Kurzum ich habe meine Art der Fotografie mit dieser Kamera im Reportageeinsatz gefunden. Ich nutze schon mal den automatischen Focuszoom mit Kantenbetonung im Life View Modus oder ebenso faszinierend finde ich die Möglichkeit bei Zeitautomatik und halb gedrücktem Auslöser durch einfaches Drehen des Blendenrings eine Belichtungskorrektur bei voller optischer Kontrolle am Bildschirm durchzuführen. 

Leise, scharf, perfekt aber ungewöhnlich, so würde ich diese Kamera bezeichnen.  Die Raw Files können in der obersten Mittelformat Klasse mithalten, sowohl was Tonwerte als auch was Schärfe anbelangt. Ein idealer Reisebegleiter und eine wunderbare Reportagekamera. Diejenigen die sich wundern, da Kameras für mich immer nur Mittel zum Zweck waren, haben recht, vielleicht trete ich jetzt ins schrullige Alter ein, aber die Faszination Leica hat mich gepackt. Was mich an der Sache amüsiert, wildfremde Menschen die eine Leica M umgehängt haben grüßen sich auf der Strasse.

 

Sarano Leica M 35mm Summilux

Fotos  Eric Berger