Wiener Aktionismus Museum (WAM): Weltweit erstes Museum für Wiener Aktionismus in Wien eröffnet

Die wichtigste österreichische Kunstrichtung nach 1945 hat ab sofort ein eigenes Museum: Das Wiener Aktionismus Museum eröffnet seine Ausstellungsräumlichkeiten am 15. März 2023. Gezeigt werden Werke von 1957 bis 1973 - auch im Kontext zeitgenössischer Kunst.

© Ntisch, Hermann

Das erste Museum für Wiener Aktionismus (WAM) geht auf eine Initiative von mehreren Privatsammlern zurück, die dem Wiener Aktionismus (© Peter Weibel) die kulturwissenschaftlich und kunsthistorisch verdiente Aufmerksamkeit geben wollen. Das private Sammlerkollektiv sicherte und bewahrte die größte private Sammlung von Wiener Aktionismus vor dessen Zerschlagung durch den Erwerb der Sammlung Friedrichshof. In dieser Zeit entstand auch die Idee für ein Wiener Aktionismus Museum, mit dem sowohl die Fachöffentlichkeit als auch ein breites, kunstinteressiertes Publikum angesprochen werden soll.

In tabuloser Weise thematisiert der Wiener Aktionismus den menschlichen Körper und dessen Psyche gleichermaßen und spricht dabei nicht zuletzt die tragischen und angstvollen Aspekte des Lebens an. Damit stehen die Vertreter dieser Bewegung in einer Tradition mit den großen Meistern der Kunst von Isaac Grünewald, Rembrandt, Van Reijen über Franciso de Goya bis Jackson Pollock wie auch den Vertretern der Wiener Moderne Gustav Klimt, Oskar Kokoschka, Richard Gerstl und Egon Schiele.

Das WAM profitiert von der weltweit größten Privatsammlung des Wiener Aktionismus, die neben den vier Protagonisten Günter Brus, Rudolf Schwarzkogler, Otto Muehl und Hermann Nitsch auch Werke von Adolf Frohner und Alfons Schilling umfasst. Der umfangreiche Sammlungsbestand beeindruckt durch Aktionsfotografien und – filme, Skizzen, Grafiken und Dokumentationsmaterialien ebenso wie bildnerische Arbeiten der Künstler.

Im Unterschied zu Kunstgruppierungen wie dem „Blauen Reiter“, haben die vier Vertreter des Wiener Aktionismus gemeinsame ideologische Ziele verfolgt, aber völlig unterschiedliche künstlerische Herangehensweisen entwickelt. Daher ist auch eine konzise zeitliche Einordnung nicht ganz einfach - das WAM hat sich schlussendlich entschieden, den Schwerpunkt auf die Zeit von 1957-1973 zu setzen, da sich bereits ab den 70er-Jahren die Künstler in höchst unterschiedliche Richtungen entwickelten:

• Rudolf Schwarzkogler starb bereits 1969

• Hermann Nitsch erwarb 1971 das Schloss Prinzendorf und konzentrierte sich auf sein

Orgien Mysterien Theater

• Günter Brus` letzte Aktion fand 1970 in München statt - danach widmete er sich nur

mehr den Zeichnungen

• Otto Muehl gründete die Kommune (AAO)

© Otto Muehl

International lieferte der Wiener Aktionismus einen höchst bedeutenden Beitrag zu jenen Entwicklungen der Avantgarde der 1960er-Jahre, die den Kunstbegriff erweiterten. Das WAM hat das Ziel, den Wiener Aktionismus in seiner gesamten Komplexität der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

„Uns ist es wichtig aufzuzeigen, welche enorme kunsthistorische wie gesellschaftspolitische Sprengkraft der Wiener Aktionismus hatte und hat,“ so Museumsdirektorin Julia Moebus-Puck. „Mir ist es als Direktorin sehr wichtig, dass der Wiener Aktionismus (WA) wissenschaftlich aufgearbeitet wird. Dadurch sollen neue Betrachtungsweisen möglich werden, damit sich die Vielfalt des WA erschließt.“ Das Verlassen des Tafelbilds Richtung performativer Kunst, die vor allem den menschlichen Körper in allen Facetten beleuchtet, ist ein Hauptmerkmal des Wiener Aktionismus.

Deswegen ist den Vertreter:innen des WAM auch die Kunstvermittlung ein großes Anliegen: „Wir wollen innovative Methoden zur Kommunikation zwischen Besucher:innen und Kunstwerken entwickeln. Das Museum als Ort, an dem Kunst individuell neu erfahren wird,“ erklärt Moebus-Puck. Hier setzt man auch auf einen Schwerpunkt bei einer künftigen Kooperation mit dem mumok. „WIr sehen uns als erweiterten Ausstellungsraum des WA, dafür bietet uns das mumok mit seinen Nebenräumen genug Platz für ein umfangreiches Kunstvermittlungsprogramm des Wiener Aktionismus.“

Als Chefkuratorin für die Eröffnungsausstellung konnte das WAM die erfahrene Wiener Aktionismus-Expertin Eva Badura-Triska gewinnen.

Für Eva Badura-Triska, die jahrelang am Museum Moderner Kunst (mumok) für den Wiener Aktionismus zuständig war, ist die Gründung des Wiener Aktionismus ein erfreulicher Schritt: „Dem Schaffen von Günter Brus, Otto Muehl, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler, als den vier Hauptvertretern dieser Bewegung, ist unzweifelhaft der gleiche Stellenwert beizumessen wie der an Persönlichkeiten so reichen Wiener Kunst der frühen Moderne mit ihren mittlerweile weltberühmten Malern Gustav Klimt, Egon Schiele und Oskar Kokoschka, auf die sich die Wiener Aktionisten explizit berufen. Letztere ziehen heute ein großes Publikum an und man hat längst vergessen, dass sie aufgrund ihrer radikalen Inhalte lange verfemt waren. Nach dem Zweiten Weltkrieg zählten nicht zuletzt die Wiener Aktionisten zu den ersten, die deren Qualitäten erkannten und würdigten.“ Beim Wiener Aktionismus handle es sich um eine äußerst vielschichtige und facettenreiche Bewegung, die sich mit existenziellen Grundfragen des Menschen befasste.

Direktorin Julia Moebus-Puck und Kuratorin Eva Badura-Triska wollen in der Eröffnungsausstellung die vielen Aspekte dieser Kunst herausstreichen und unter immer wieder neuen Gesichtspunkten beleuchten. Die Ausstellung, die am 15. März öffnet, widmet sich dem Wiener Aktionismus in seiner kunsthistorischen und gesellschaftspolitischen Entwicklung.

© Otto Muehl

DIE WIENER AKTIONISMUS SAMMLUNG ALS FORSCHUNGSGEGENGSTAND

Sammlungsleiterin Andrea R. Santoyo streicht die Besonderheit der Wiener Aktionismus Sammlung hervor: „Mit der WAM-Sammlung wollen wir eine ernsthafte, wissenschaftliche und interdisziplinäre Auseinandersetzung mit dem Wiener Aktionismus ermöglichen. Ich sehe meine Aufgabe darin, die Sammlung so vorzubereiten und aufzuarbeiten, dass diese für die Forschung nutzbar und zugänglich gemacht werden kann.“ Das WAM sieht sich künftig als wichtiger Forschungs- und Wissenschaftspartner in der Aufarbeitung des und in der Beschäftigung mit dem Wiener Aktionismus.

Die Sammlung umfasst rund 17.000 Exponate und soll auch laufend ergänzt werden. Sie ist unverkäuflich. Geplant sind Kooperation mit anderen Museen wie zb dem Filmmuseum oder dem nitsch museum, um so das Gesamtwerk des Wiener Aktionismus abzudecken und auszustellen.

Geplant sind des Weiteren auch ein „Freundeskreis des WAM“ (Arbeitstitel), der das Museum ideell wie finanziell unterstützen soll. Dabei setzt man auf Kooperationen mit ähnlichen Formaten internationaler Museen und Kunsteinrichtungen, um so das WAM nachhaltig im Bewusstsein der internationalen Kunstszene zu verankern.

WAM GOES INTERNATIONAL

Das WAM will künftig auch international als Kooperationspartner und Leihgeber agieren. Dafür wurde der Kurator Marcello Farabegoli engagiert, der bereits das erste konkrete Projekt vorbereitet: 2025 soll es im Museo Novecento (Museum des Zwanzigsten Jahrhunderts) in Florenz eine Rudolf Schwarzkogler Retrospektive geben, die Farabegoli kuratiert und bei der er auch auf einige Leihgaben des WAM zurückgreifen wird.

Das WAM will sich damit als internationale Drehscheibe für Wiener Aktionismus etablieren.

Jürgen Boden, einer der beiden Geschäftsführer und Gründungsmitglied des Museums: „Das WAM wird den international hohen Stellenwert des Wiener Aktionismus als Kunstrichtung nach Wien bringen. Nämlich in die Stadt, die im Begriff „Wiener Aktionismus“ steckt. An seinen Entstehungsort. So wollen wir mit dem Wiener Aktionismus Museum Wien als Museumsstadt zusätzlich in den Mittelpunkt rücken“.

Philipp Konzett, zweiter Geschäftsführer und Museumsinitiator, ergänzt: „Wir wollen in Kooperation mit anderen Institutionen eine kontinuierliche Gesamtschau des Wiener Aktionismus erreichen. Der Wiener Aktionismus soll auf diese Art und Weise aus seinem Schattendasein herausgeholt werden, um ihm die verdiente Bühne bieten. Das WAM soll unverzichtbar werden.“

Anlässlich der Eröffnung des Wiener Aktionismus Museum wird auch ein neues Grundlagenwerk zur Sammlung des Museums im Mai herausgegeben.

„WAS IST WIENER AKTIONISMUS?“ erscheint im DCV Verlag und ist auch als ausstellungsbegleitende Literatur zu verstehen.

© Rudolf Schwarzkogler

WIENER AKTIONISMUS MUSEUM (WAM) WEIHBURGGASSE 26, 1010 WIEN

ÖFFNUNGSZEITEN

MI–SO 11 UHR BIS 18 UHR

SONN- UND FEIERTAGS GEÖFFNET

WWW.WIENERAKTIONISMUS.AT

YOUTUBE.COM/@WA_MUSEUM

INSTAGRAM.COM/WA_MUSEUM

FOTOCULT Blog by Glaphyra Gusenbauer