Das Leben der Dinge. Geraubt – verschleppt – gerettet

„Das Leben der Dinge. Geraubt – verschleppt – gerettet“ beleuchtet anhand zeitgenössischer künstlerischer Positionen das Schicksal von Kunstwerken und Artefakten zwischen Raub, Verschleppung und Restitution. Das Spektrum der im Alten Marktrichterhaus in Lauffen bei Bad Ischl gezeigten Arbeiten reicht von der Auseinandersetzung mit kolonialem Raub und teils fragwürdiger Sammeltätigkeit über den staatlich geplanten Kunstraub und die Enteignungen („Arisierungen“) im Dritten Reich bis hin zum kulturellen Genozid durch die Verschleppung und Vernichtung von Kulturgütern.

© Edwin Husic, courtesy Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024

Die Ausstellung im revitalisierten Alten Marktrichterhaus in Lauffen bei Bad Ischl ist der dritte und letzte Teil einer Ausstellungsreihe, die unter dem Projekttitel „Die Reise der Bilder“, bei der das Lentos Kunstmuseum Linz in Kooperation mit der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024, im Rahmen der Programmlinie „Macht und Tradition“, gemeinsam drei Ausstellungen präsentieren: „Die Reise der Bilder. Hitlers Kulturpolitik, Kunsthandel und Einlagerungen in der NS-Zeit im Salzkammergut“ (bis 08/09/2024) im Lentos Kunstmuseum Linz, „Wolfgang Gurlitt. Kunsthändler und Profiteur in Bad Aussee“ (bis 03/11/2024) in Kooperation mit dem Kammerhofmuseum in Bad Aussee und „Das Leben der Dinge. Geraubt – verschleppt – gerettet“ (27/04–01/09/2024).

Das Leben der Dinge. Geraubt – verschleppt – gerettet

Ort Altes Marktrichterhaus Lauffen bei Bad Ischl, Lauffner Marktstraße 21, 4821 Bad Ischl

Laufzeit 27/04–01/09/2024

Öffnungszeiten Mi–So 12–17 Uhr. Mo, Di geschlossen. An folgenden Samstagen hat die Ausstellung bis 18 Uhr geöffnet: 27/04, 26/05, 29/06, 27/07, 31/08.

Eintritt frei. Die Ausstellung ist nicht barrierefrei.

Kostenlose Führungen 27/04, 29/06, 27/07, 31/08 17–18 Uhr, maximale Teilnehmer*innenzahl 25 Personen, keine Anmeldung erforderlich

Kostenlose Kurator*innenführung 25/05 17–18 Uhr I Lentos Direktorin Hemma Schmutz und Kurator Markus Proschek führen durch die Ausstellung. Keine Anmeldung erforderlich.

Buchbare Gruppenführungen Dauer 1 Std., max. Teilnehmer*innenanzahl 25 Personen. Kosten: € 180,-, Anmeldung und Informationen unter kunstvermittlung@lentos.at

Der Ort Lauffen bei Bad Ischl wurde für die Ausstellung bewusst gewählt: Zwischen November 1944 und Kriegsende wurden in den Stollen des hiesigen Salzbergwerkes Bestände der Wiener Museen zum Schutz vor Bombardierungen eingelagert. „Geschichte ist nie zu Ende aufgearbeitet. Sich genau zu erinnern, heißt aber auch, sich immer wieder den historischen Abläufen zu stellen und sie zu überprüfen. Sie schaffen die Grundlage unseres eigenen und des kollektiven Selbstverständnisses, aus dem wir schöpfen, um das Heute eventuell besser einschätzen zu können und vernünftigere Handlungsräume für die Zukunft zu öffnen“, ist Elisabeth Schweeger, Künstlerische Geschäftsführerin der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024, überzeugt.

Zu sehen ist die Gruppenschau im Alten Marktrichterhaus in Lauffen, das von Peter Löw, Unternehmer und Chefkurator des „The European Heritage Project“, vor Kurzem revitalisiert wurde. 14 zeitgenössische künstlerische Positionen verhandeln das Schicksal von Kunstwerken zwischen Raub, Verschleppung, Restitution und Rekonstruktion. „Das Repräsentationsbestreben totalitärer Regime diente schon immer der Festigung der eigenen Herrschaft und der Demütigung besiegter Feinde, deren Kunst und Kultur durch Raub und Zerstörung vereinnahmt wurden. Systematischer Kunstraub ist ein seit der Antike bekanntes Phänomen. Er war eine Strategie, die nicht nur den Transfer von Wertgegenständen bedeutete, sondern auch ein Mittel zur Legitimation kultureller Dominanz darstellte“, erklärt Lentos-Direktorin und Kuratorin der Ausstellung Hemma Schmutz.

© Edwin Husic, courtesy Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024

Zu sehen sind international renommierte, aber auch frische Positionen: Said Baalbaki, aus dem Libanon, reflektiert mit Der Arm. One Hand Can't Clap (2011) die Zerstörungen während des libanesischen Bürgerkrieges und das komplexe Verhältnis seines Landes zur Gedenkkultur. Der Österreicher Oliver Laric beschäftigt sich in Sleeping Figure (2023) mit der Transformation antiker Skulpturen und Fragen der Rekonstruktion des kulturellen Erbes. Michael Rakowitz aus den USA setzt sich mit The Invisible Enemy Should Not Exist (2018) kritisch mit den Auswirkungen des Irak-Krieges auf das kulturelle Erbe auseinander und rekonstruiert zerstörte Artefakte mithilfe von Verpackungsmaterial und Zeitungen aus dem Nahen Osten. Gezeigt werden auch Werke von CATPC, einem Kollektiv von Plantagenarbeiter*innen aus der Demokratischen Republik Kongo, in Kollaboration mit dem niederländischen Künstler Renzo Martens. Werke wie der Film Plantations and Museums (2022) und das NFT Human Activities, The Balot NFT (2022), setzen sich mit den Nachwirkungen kolonialer Ausbeutung und dem Rückkauf ehemaliger Plantagen auseinander. CAPTC und Martens bespielen aktuell auch den niederländerischen Pavillon auf der internationalen Kunstausstellung 60. Biennale in Venedig. Weiters sind Werke von Hera Büyüktaşçıyan (TR), Maeve Brennan (UK), Ines Doujak (AT), Assaf Hinden (IL), Moussa Kone (AT), Nii Kwate Owoo (GH), Markus Proschek (AT), Anja Ronacher(AT), Dierk Schmidt (DE) und Philip Topolovac (DE) zu sehen.

„Als Schaffende von Werken sind Künstler*innen essenziell mit Objekten und deren Bedeutungszusammenhängen verbunden und für deren (Miss-)Verhältnisse sensibilisiert. Insoweit das ‚Recht der Dinge‘ ein wesentlicher Bestandteil ihrer künstlerischen Praxis ist, können sie eine Anwaltschaft für jene Objekte übernehmen, die ihrer ursprünglichen Funktion beraubt wurden und in der Reduktion auf den Kunstwert zu ‚toten‘ Gegenständen geworden sind. So geben Künstler*innen auch Impulse für neue Strategien, wie Museen und Sammlungen mit diesem belasteten Erbe umgehen und ihre Verantwortung zwischen Restitution und Bewahrung des Kulturerbes der Menschheit wahrnehmen können“, erläutert Kurator & Künstler Markus Proschek, der selbst mit zwei Werken in der Gruppenschau vertreten ist.

Der Fokus der Ausstellung „Das Leben der Dinge. Geraubt – verschleppt – gerettet“ richtet sich bewusst auf den immateriellen Wert von Objekten: auf die Erinnerungen und Geschichte(n), die sich in diese eingeschrieben haben; auf die Würde des Gegenstandes, der seiner Sinngemeinschaft beraubt und zum Dekorationsobjekt oder Statussymbol degradiert wurde; und auf die Gesellschaften, denen diese identitätsstiftenden Dinge abhandengekommen sind. Zur Ausstellung erscheint im Verlag der Provinz auch eine Publikation mit Texten von Christian Höller, Sarah Jonas, Markus Proschek und Hemma Schmutz sowie einem Begleitwort von Elisabeth Schweeger zum Preis von 15 €,-. Erhältlich vor Ort, im Lentos Kunstmuseum Linz oder im Onlineshop des Museums.

Ein besonderer Tipp: Im Rahmen des Projekts „Die Reise der Bilder“ ist das All-inclusive-Ticket um 35 € erhältlich, das den Eintritt zu allen drei Ausstellungsorten inkl. der Salzwelten in Altaussee enthält. Ein weiteres Highlight der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024 ist im Besucher*innenzentrum der Salzwelten gratis zu besichtigten: Der Hamburger Graphic Novelist Simon Schwartz zeigt in seiner Ausstellung „Verborgen im Fels. Der Berg, das Salz und die Kunst“ die Geschichte des Salzabbaus in Altaussee und thematisiert dort auch die während der NS-Zeit im Berg gelagerten Kunstgüter.


FOTOCULT Blog by Glaphyra Gusenbauer