Art History With a Camera - The photography of Ralph Lieberman - Eine Online-Ausstellung der Photothek des Kunsthistorischen Instituts in Florenz – Max-Planck-Institut

Bereits seit 29. November 2021 präsentiert die Photothek des Kunsthistorischen Instituts in Florenz – Max-Planck-Institut eine Online-Ausstellung, die sich dem Fotografen und Kunsthistoriker Ralph Lieberman widmet. Die Aufnahmen, zum großen Teil aus dem Bestand der Photothek, dokumentieren Bauwerke und Skulpturen, zeigen Stadtansichten, aber auch Stillleben von Lieberman selbst. In seinen Arbeiten hinterfragt er immer wieder die vermeintliche Objektivität des Mediums Fotografie, was sich auch in seinem individuellen Stil als Fotograf niederschlägt. 

Ralph Lieberman: Trunkenheit Noahs: Noahs Söhne Sem und Ham von Filippo Calendario, 1342-1348, Palazzo Ducale, Venedig, o.J.  © Ralph Lieberman 

Die Ausstellung 

Mit einer Auswahl an Architektur- und Skulpturaufnahmen, Stadtansichten und Stillleben gibt die Ausstellung ART HISTORY WITH A CAMERA einen Einblick in das Schaffen des amerikanischen Fotografen und Kunsthistorikers Ralph Lieberman. Seine akribischen Dokumentationen von Kunst- und Bauwerken in Europa und Nordamerika zeichnen sich durch einen persönlichen Ansatz aus, der sich bewusst von einem zurückhaltenden, dokumentarischen Stil distanziert. Hier verbindet sich das wissende Auge des Kunsthistorikers mit den handwerklichen Fähigkeiten des Fotografen. Gleichwohl fotografiert er mit dem Bewusstsein, dass das fotografische Medium nicht objektiv sein kann. Denn jede Fotografie manipuliert durch den gewählten Bildausschnitt, die eingenommene Perspektive und die Ausleuchtung bereits die Sicht der BetrachterInnen auf das jeweilige Werk. Eine Fotografie kann ebenso viel zeigen, wie sie auch verbergen kann. 

In Liebermans Architekturfotografien finden sich neben Bildern von Kirchen, Palästen oder Gartenanlagen zahlreiche Detailaufnahmen, die das spezifische Interesse des ausgebildeten Architekturhistorikers verraten. Er umkreist mit der Kamera seine Studienobjekte, tastet sich minutiös an den Bauten entlang, um Einzelheiten der Architekturen offenzulegen und darüber die Formensprache ihrer Autoren zu entschlüsseln. Stets ist er auf der Suche nach neuen, visuellen Zugängen zu den Werken. Dabei changieren seine Aufnahmen immer wieder zwischen dem Anspruch, den BetrachterInnen einen Mehrwert an Informationen zu liefern, und dem Ziel, ihre visuelle Erfahrung beim Betrachten der Werke fotografisch zu reproduzieren. 

In seinen Stadtansichten kombiniert Lieberman häufig das formale Arrangement mit dem gelebten Leben in einer städtischen Umgebung. Unscheinbare Details wie eine Wäscheleine oder ein Fahrrad lassen die Anwesenheit der gegenwärtigen Einwohner und kleine Episoden aus ihrem Alltag erahnen: Die Aufnahmen erzählen urbane Geschichte(n). Kritisch reflektiert er hingegen die Aufnahme von Skulpturen, in der die Grenzen des fotografischen Mediums besonders deutlich werden: „Jede Fotografie einer Skulptur beruht auf einem Kompromiss“ – ist es doch unmöglich, das dreidimensionale Objekt vollständig in einer einzigen Aufnahme zu dokumentieren. Mehrere Bildserien zeigen zusätzlich, wie sehr Perspektive und Lichteinfall die Wirkung der fotografierten Werke auf die BetrachterInnen verändern können. 

Ralph Lieberman: Dom, Florenz, vor 1997  © Ralph Lieberman 

Fotografie in der Kunstgeschichte 

Fotografien haben für das Fach Kunstgeschichte eine große Bedeutung. Sie liefern den KunsthistorikerInnen nicht nur Arbeitsmaterial, sondern haben auch entscheidend zur Herausbildung methodologischer Fragestellungen und zur Etablierung des kunsthistorischen Kanons beigetragen. Jede Fotografie ist bereits für sich eine Interpretation des darauf abgebildeten Werkes. In Fotosammlungen wie der Photothek des Kunsthistorischen Instituts in Florenz – Max Planck Institut können WissenschaftlerInnen oft mehrere Aufnahmen eines Werkes von unterschiedlichen FotografInnen finden. Auch darin liegt die Relevanz solcher Sammlungen. Lieberman selbst reflektiert kontinuierlich über die Möglichkeiten, aber auch Grenzen der Fotografie für die Kunstgeschichte, was sich in seiner Lehrtätigkeit und in vielen seiner Publikationen niederschlägt. Das Fotografieren im Kontext seiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit machte ihm außerdem deutlich, dass Fotografien alles andere als passive Illustrationen kunsthistorischer Texte sind. Denn oft sind sie aktiver Bestandteil einer Argumentation und spielen eine wichtige rhetorische Rolle in den Texten. 

Ralph Lieberman: Verkündigung von Donatello, ca. 1433–1435, Santa Croce, Firenze, 1995 
© Image provided by Kunsthistorisches Institut in Florenz – Max-Planck-Institut, courtesy of Special Collections, Fine Arts Library, Harvard 

Der Fotograf 

Der Kunsthistoriker und Fotograf Ralph Lieberman studierte bei Wolfgang Lotz und Richard Krautheimer am Institute of Fine Arts der New York University, wo er auch promovierte. In dieser Zeit begann er zu fotografieren. Seit den frühen 1980er Jahren arbeitet er hauptberuflich als Fotograf. Seitdem erscheinen seine Fotografien in zahlreichen Büchern zur Architektur, Skulptur, Malerei und Gartenkunst. 

Er lehrte unter anderem am Williams College, an der Rhode Island School of Design, am Amherst College und an der Graduate School of Design der Harvard University. In der Zwischenzeit hat er sich aus der Lehre zurückgezogen, forscht aber weiterhin und ist nach wie vor als Fotograf aktiv. In den vergangenen 40 Jahren hat er Bilder für die wichtigsten kunsthistorischen Studiensammlungen der USA und Italiens, darunter das Kunsthistorische Institut in Florenz, zur Verfügung gestellt. 

Die Photothek besitzt über 2.000 Abzüge seiner Aufnahmen, die vor allem Bauten und Kunstwerke aus Nord- und Mittelitalien abbilden. Dank der freundlichen Genehmigung des Institute of Fine Arts der Harvard University, das vor einigen Jahren Teile des analogen Negativarchivs von Lieberman erworben hat, konnten diese digitalisiert werden und sind nun online über die Digitale Photothek verfügbar. 

Ralph Lieberman: Heiliger Franziskus von Tullio Lombardo, 1485/1489, Venedig, Santa Maria dei Miracoli, 1997 
© Image provided by Kunsthistorisches Institut in Florenz – Max-Planck-Institut, courtesy of Special Collections, Fine Arts Library, Harvard University 

Ralph Lieberman: Abenddämmerung in Florenz, o.J.  © Ralph Lieberman 

Das Kunsthistorische Institut in Florenz ist ein Forschungsinstitut zur Kunst- und Architekturgeschichte. Schwerpunkte gelten der Kunst und visuellen Kultur Italiens, Europas und des Mittelmeerraums in globalem Horizont. 1897 als private Initiative von Gelehrten gegründet, ist das Kunsthistorische Institut in Florenz eine der ältesten Einrichtungen zur Erforschung der Kunstgeschichte. Seit 2002 gehört es zur Max-Planck-Gesellschaft. Ein besonderes Engagement gilt der Förderung, Profilierung und Vernetzung junger, internationaler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler; es verfügt über eine umfassende Bibliothek und Photothek, die der internationalen Forschung offenstehen. Aktuelle Einzel- und Kooperationsprojekte am Institut befassen sich u.a. mit transkulturellen Dynamiken, Ethik und Architektur, Wissenschafts- und Museumsgeschichte, Fotografie, dem Verhältnis von Ästhetik und Ökologie, mit Bild/Sprachen und Verschränkungen von Bild- und Dingdiskursen. 
https://www.khi.fi.it 

Ralph Lieberman: MET Breuer building, New York, 2018 © Ralph Lieberman 

Die Photothek ist eine der wichtigsten Sammlungen dokumentarischer Fotografie zur italienischen Kunst und Architektur. Als Forschungseinrichtung und Labor spielt sie eine Hauptrolle in der internationalen und transdisziplinären Debatte über die Funktion von Fotoarchiven in Forschung und Gesellschaften des 21. Jahrhunderts. Ihre täglichen Aufgaben, wie Fotokampagnen, Katalogisierung und Digitalisierung, sind untrennbar mit den wissenschaftlichen Aktivitäten verbunden. Mit ihren Projekten, Tagungen, Workshops und Publikationen trägt die Photothek zum akademischen Leben des Instituts aktiv bei. 

Die Sammlung von derzeit über 625.000 Fotografien hat sich entlang des wissenschaftlichen Profils des Instituts entwickelt. Deren Erhalt und Erweiterung, sowie die Erforschung der historischen Strukturen und Bestände gehören zu den wesentlichen Aufgaben der Photothek. Damit hat sie sich als Zentrum der internationalen Archiv- und Fotografieforschung etabliert, in der das Foto als materielles Objekt im Fokus steht. 
https://www.khi.fi.it/de/photothek/index.php 

ART HISTORY WITH A CAMERA The photography of Ralph Lieberman 
Eine Online-Ausstellung der Photothek des Kunsthistorischen Instituts in Florenz – Max-Planck-Institut 
Konzept und Text: Almut Goldhahn 
Redaktion: Julia Biel, Almut Goldhahn, Dagmar Keultjes und Magdalena Steffan 
Online bereits seit 29. November 2021 unter expo.khi.fi.it